21.08.12

Was ist Wirklichkeit?

Wir können erst dann einen Traum von der Realität unterscheiden, wenn wir aufwachen. Oder eben schweißgebadet aufschrecken, so wie ich. Die Dusche ist kalt, nicht so wie der Kaffee, und auch nicht wie der zweite. Mit meinem Fuß bringe ich den Mehrfachstecker zum leuchten, sodass die Anlage eingeschaltet wird. Die Musik bringt meine ganze Wohnung in eine ruhige, leidende Atmosphäre. Durch ein Klingeln wird diese zerstört, als ich die Musik aus und die Tür aufmache, ist dort niemand. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer und sehe, dass der Besuch schon im Haus ist. Ihre dünnen Beine und ihre mit schwarzem Stoff, der den gesamten Körper bedeckt, abgedunkelten Gesichter sind nicht leicht zu übersehen. Die Unterweltler. "Seid ihr gekommen, um mich zu holen? Um mich euresgleichen zu machen?" frage ich sie, als wäre es alltäglich, dass solche Wesen auf meinem Sofa sitzen. "Nein." antworten sie schnell, alle perfekt synchron, was mich ein bisschen zusammenzucken lässt. "Wir sind gekommen, um deine Schuld zu beweisen!", sofort werde ich nervös, ob es an den düsteren, gleichen Stimmen liegt oder eher an der Aussage, dass ich Schuld am Tot meiner Frau bin, weiß ich nicht. Vermutlich beides. Sie stehen auf. Es sind fünf von ihnen, wieso mir so etwas auffällt, während die fünf Gestalten der Unterwelt meines Unterbewusstseins in großen Schritten auf mich zu marschieren und vermutlich meine Seele rauben und auf einem Markt verkaufen wollen, weiß ich auch nicht. Das einzige, das ich weiß, ist, dass das nicht die Realität ist. Nicht die schwitzige, öde, trostlose Realität. Nicht mein Leben. "Du bist Schuld" ist das einzige, was sie sagen, zwei mal, drei mal, zehn mal. Sie kommen immer Näher, sie könnten mich küssen, doch sie schieben die Schuld nur immer kräftiger, immer lauter auf mich. Es ist nicht vorhersehbar, was passiert wäre, wenn mein Arm nicht runter gegen die Kaffeetasse gerutscht und diese somit nicht über mein halbes Bein gekippt wäre. Denn sonst wäre ich nicht aufgewacht. Sonst wüsste ich nicht, was Wirklichkeit ist und was nicht.

Inspiriert von der Kurzgeschichte "Die Chronik" aus dem Religionsunterricht.

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